Der Tag war eisigkalt gewesen und immer wieder hatte starker Schneefall Melissas Fortkommen behindert. Dick eingemummt sitzt sie auf ihrem Pferd, hinter ihr festgezurrt ihre Heilertasche und ein wenig Kleidung, und spornt das Tier an noch ein wenig weiter zu reiten. Der Tag neigt sich langsam seinem Ende entgegen und Melissa will noch zu dieser Taverne kommen, die direkt an dieser Straße nach Eugensburg liegt.
Mit gesenktem Kopf stapft die rostbraune Stute die Straße entlang und alles in ihrer Haltung macht deutlich, dass sie sich nach einem warmen Stall sehnt.
Melissa Bumona hatte ihren Gatten Talcid, der zum Ausheilen einer Verletzung auf Gut Ratio gewesen war und nun zur Front zurück kehrte, ein Stück seines Weges begleitet und dann eine alte Bekannte besucht. Nun ist sie auf dem Rückweg und hat noch ein gutes Stück Weg vor sich. Ihr Blick geht voraus und im leichten Schneetreiben erspäht sie mit zusammen gekniffenen Augen in der Ferne eine Ansammlung Bäume und in deren Mitte ein Haus.
„Komm, Lotti, noch ein Stückchen. Da vorne ist schon der warme Stall, in dem du heute Nacht schlafen darfst. Und ich hoffe es gibt auch ein warmes Bett für mich.“
Die Stute schnaubt, als hätte sie ihre Herrin verstanden, und eine viertel Stunde später erreicht das brave Tier die Schänke.
Melissa sitzt ab und übergibt dem Stallburschen, der sofort aus der Stalltür auf sie zukommt, die Zügel. Er begrüßt sie höflich und sie erwidert seinen Gruß, dann setzt sie hinzu: „Seid nett zu meiner Lotte und gebt ihr eine doppelte Portion Hafer.“ Dabei steckt sie dem Stallburschen eine Münze zu, die er erfreut annimmt. Nun bindet sie schnell ihre Sachen hinter dem Sattel los und während ihr Pferd zum Stall geführt wird, geht Melissa die wenigen Schritte zum Wirtshaus und öffnet die Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift „Taverne zur Linde“ hängt. Sie kommt in einen Vorraum, wo mehrere Haken an der Wand befestigt sind an denen man die feuchten Umhänge aufhängen kann. Sie entledigt sich des ihren und betritt dann die Schankstube. Hier ist es heimelig warm und im spärlichen Licht erkennt sie einige Tische, die im Raum verteilt stehen. Rechts im Hintergrund machen ihre alten Augen den Tresen aus, hinter dem eine Frau, wohl die Wirtin, steht und ihr entgegen sieht, sonst ist der Raum leer.
„Seid gegrüßt, Frau Wirtin“, sagt sie laut vernehmlich. „Habt Ihr noch ein Bett für die Nacht und etwas Warmes zu essen für mich?“
„Herzlich willkommen!“, ruft die Frau ihr zu. „Aber immer doch, noch ist alles frei. Sind wohl nicht viele Leute unterwegs bei diesem Wetter. Da trau sich keiner raus“, lacht sie und stellt den Becher, den sie abgetrocknet hat, fort und kommt um den Tresen herum, während sie ihre Hände an der Schürze abwischt.
„Dann will ich Euch mal Euer Zimmer zeigen“, sagt sie dann und geht vor. Hinter einer Gardine ist eine Tür versteckt und hinter dieser Tür befindet sich die Treppe nach oben zu den Zimmern. Melissa folgt ihr.