Es ist tiefste Nacht in der Stadt Valburg. Drei Schiffe schneiden durch die Wellen, ihre pechschwarzen Segel blähen sich in den stürmischen Böen. Befehle werden in einer fremden, kehligen Sprache gekeift, bullige Matrosen bewegen sich galant in den Wanten. Die Segel selbst ziert ein Wappen: Auf dem pechschwarzem Hintergrund, rot wie Blut, ein Drache, darum ein Kreis aus Stacheln. Kein Zweifel, es handelt sich um Schiffe aus dem Imperium der Nocter. Zep. Die große Galeone nähert sich dem Hafen der Stadt, an ihrem Bugspriet steht eine einzelne Person. Ein Blitz zuckt auf, zerteilt den dunklen Himmel für Sekunden und erhellt das Gesicht des Mannes. Aschfahl wirkt seine Haut. Geradezu leichenblass. Sein Blick, starr wie Granit, ist auf den Hafen der Stadt gerichtet. „Gebt der Sprinter und der Pherma das verabredete Signal. Sie sollen außerhalb des Hafens auf uns warten.“, rief er einem Mann in roter Uniformjacke zu. „Zu Befehl, Eure Eminenz!“
Ein Leuchtfeuer wurde entzündet, von den Briggs kam Antwort und sie drehten ab. Die Galeone indes legt im Hafen an. Offensichtlich wurden sie bereits erwartet, denn am Kai steht ein Empfangskomitee bereit. Während die Leinen gesichert werden, donnert bereits die schwere Brücke auf den steinernen Kai. Zwei große, in dunkle Plattenrüstungen gehüllte Gestalten verlassen das Schiff und stellen sich flankierend vor die Brücke. Sie nehmen eine kerzengerade Haltung an, als dann auch noch der Mann mit dem aschfahlen Gesicht die Brücke betritt. In eine blutrote Robe gehüllt, die weite Kapuze tief ins Gesicht gezogen, nähert er sich den vier Soldaten, welche ihn schon erwarten. Als der Herr nun direkt vor ihnen steht, die Haltung etwas gebückt, von den Riesen in Rüstung flankiert, ergreift einer der Soldaten des Königs nun mit zittriger Stimme das Wort: „Ihr – Willkommen in Valburg, Eure Eminenz.“ Der Alte mustert den jungen Soldaten eine Weile, ehe er antwortet. „Willkommen... natürlich. Bringt Ihr mich nun zu Eurem Herren oder schlagen wir hier Wurzeln?“ Die Worte des Alten werden von einem äußerst kühlen Unterton begleitet. Ein leichtes, nicht minder kühles Grinsen huscht über sein Gesicht, als es ihm gewahr wird, dass dem jungen Soldaten vor ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft. „Nun denn... dann... Palast. Sofort.“, stottert der Junge, ehe er sich zackig umdreht, und die Herren durch die Stadt führt.
Die Flügeltüren des Palastes öffnen sich. Ein Herold stampft mit einem Stab auf und ruft durch den festlichen Saal: „Es tritt ein: Seine drakonische Eminenz, Darionus Melicus der Jüngere, Botschafter des Rates der Wissenden zu Zep, Mitglied der Familie Melicus, Nocter des schwarzen Schwarmes, mit einer wichtigen Nachricht, die keinen Aufschub duldet.“ Nach einem bestätigenden Wink des Herrschers tritt der Botschafter von seinen Wachen flankiert vor, schlägt seine Kapuze zurück und fixiert den König mit seinen kalten, roten Augen. Sein kahler Schädel ist von einer großen Narbe gekennzeichnet, die quer über diesen verläuft. Als er den Mund öffnet, entblößt er seine weißen, spitzen Zähne. „Eure Majestät, ich komme in einer dunklen Stunde für Euer Reich, doch ich komme mit guten Nachrichten. Mit einer Nachricht, die keinen Aufschub duldete. Daher danke ich Euch für die schnelle Audienz.“ Der König nickt verstehend und bedeutet ihm, fortzufahren. Der Botschafter nickt leicht und entrollt einen Brief.
„An seine Majestät, Johann von Solberg, König von Verdonia und Herrscher über das gesamte verdonische Reich, reich an Jahren und an Weisheit,
vor Kurzem sprach unser werter Senator, Professor Sarkir vor dem versammelten Rat. Er berichtete uns von einem Kult, welcher die Länder Neu-Verdonias heimsucht. Der Kult der Spinne. Er berichtete uns zum Einen von der prekären Situation in den Landen, zum Anderen aber berichtete er, dass es sich bei dem Kult unter Anderem um Totenbeschwörer handelt. Diese Art der Magie ist in den falschen Händen äußerst gefährlich, daher beschloss der Rat einstimmig, zum Ersten dem Kult der Spinne den Krieg zu erklären, zum Anderen Euch, Majestät, Unterstützung im Kampf gegen die Spinne anzubieten, sofern Ihr die Totenbeschwörer und ihr Wissen uns zugesteht. Wir werden nicht zulassen, dass erneut ein Kult diese einst als ehrbar geltende Form der Magie für ihre niederen Zwecke missbraucht.
Die Kriegsmaschinerie läuft bereits auf Hochtouren: Im ganzen Land werden neue Regimenter ausgehoben, alte wieder einberufen. Die Schmiedeessen der Feuerburg brennen Tag und Nacht. Der Magistrat von Nekropolis erklärte sich bereit, die schwarzen Klauen zu rufen; eine kleine, aber äußerst tödliche Einheit untoter Schleicher. Der dort ansässige Orden der Knöchernen Hand sicherte dem Vorhaben Ebenfalls Unterstützung zu. Die Schiffswerften Sturmwassers bauen Panzerschiffe im Akkord und Moorhain schickt ein ganzes Regiment der Moorhainer Falken. Binnen vier Wochen ist die erste Flotte bereit, in See zu stechen. Verstärkung folgt dann auf dem Fuße.
Der hohe Rat der Wissenden zu Zep erbittet eine schnelle Antwort.“
Der Botschafter schlägt die Kapuze wieder über seinen kahlen, bleichen Schädel und blickt abwartend in Richtung des Herrschers.