Rion blickte auf die Stadt. Wie immer, wenn er größere Städte sah, war er im ersten Moment beeindruckt. Nicht mehr lang, dann würde die "Falkenflug" im Hafen vor Anker gehen.
Er hatte einen Händler gefunden, der Verdonia ansteuerte und bereit gewesen war ihn mitzunehmen. Gegen Bezahlung versteht sich. Die Reise war lang gewesen und er hatte sich mit dem Händler, dem Kapitän und einigen der Matrosen angefreundet. Meist war alles recht langweilig gewesen und er hatte angeboten auf dem Schiff aus zu helfen, aber der Kapitän hatte abgelehnt, da Rion kein erfahrener Seemann war. Er würde nur die anderen bei ihrer Arbeit behindern, was er dann auch eingesehen hatte. Statt dessen hatte er oft mit den Seemännern gewürfelt, Karten gespielt oder sich Geschichten erzählt.
Jedes Mal, wenn ihm eine einfiel, lauschten die Matrosen gespannt. Abenteuer vom Lande hatten für Seemänner etwas geheimnisvolles. So vieles war um so unendlich komplizierter an Land. Auf See war alles sehr viel einfacher.
Natürlich war auch die See nicht ungefährlich. Piratenangriffe hatten sie vier abwehren müssen. Doch genau in diesen konnte Rion dann doch helfen. Gerade die heimtükischen Angriffe überrumpelten viele der Seeräuber doch sehr, die zumeist nur den lauthals brüllenden Kampf kannten. Ein leises Anschleichen von hinten erwarteten sie nicht, wenn der Kampf in vollem Gange war. Oft sprintete Rion dann in den Rücken eines Gegners, bevor dieser ihn bemerken konnte und zog mit dem Messer seine so häufig geübte Bewegung, um schließlich zum nächsten zu rennen.
Und dann gab es auf der Reise noch einen längeren Sturm. Glücklicherweise nahm das Schiff nur wenig Schaden und es kam, bis auf einige leichte Verwundungen, niemand zu Schaden. Allerdings hatte der Sturm das Schiff vom Kurs abgebracht, so dass sie mehrere Tage verloren hatten.
Nachdem Rion sich an der Stadt satt gesehen hatte ging er zur Kapitänskajüte, in der Hoffnung dort auch den Händler zu treffen.
Als er vor der Tür stand klopfte er an, worauf ein lautes, aber freundliches "Herein" ertönte. Rion öffnete die Tür und trat ein, wobei er sich ein wenig bücken musste. Auf Schiffen war immer alles so verdammt niedrig.
Drinnen standen Harmin, der Händler und Naffkan, der Kapitän, über Karten gebeugt. Wahrscheinlich besprachen sie gerade die nächsten Reiserouten und wie sie die verlorenen Tage eventuell wieder einholen könnten.
"Ah Rion, was führt euch zu uns?", fragte Harmir, nachdem er kurz von den Karten aufgeschaut hatte.
"Ich wollte fragen, ob ihr mir sagen könntet welche Währung in Verdonia genutzt wird? Und ob ihr mir Geld eintauschen könntet?"
"Feuermark. Und nein, tut mir leid. Leider habe ich selber nicht genug. Ich muss selber in der Stadt erst noch einiges eintauschen. Dabei liegen wir wegen des Sturmes leider überhaupt nicht gut in der Zeit. Ich muss zudem auch noch zu einigen Treffen, ansonsten werde ich meine Waren nicht einmal mehr los."
"Vielleicht kann ich euch helfen. sagt mir einfach, wo ich Geld eintauschen kann, gebt mir mit, was ihr eingetauscht bekommen wollt und ich erledige das. Dann kann ich auch meine Sachen vorerst hier lassen, da ich noch nicht weiß, ob ich direkt hier in Valburg weitere Informationen finde, oder ob ich weiter mit Euch fahren würde."
Für gewöhnlich würde ein Händler ja nie einem anderen sein Geld anvertrauen, doch ada Rion Harmir bei einem der Piratenüberfälle das Leben gerettet hatte, konnte er dies anbieten, ohne gleich für einen Dieb gehalten zu werden.
Da er Harmir und Naffkan mittlerweile auch als Freunde ansah, würde er sie ohnehin nicht bestehlen. So hatte er den beiden auch anvertraut, nach was für Informationen er derzeit suchte. Ebenso hatte er ihnen verraten, welche Ausbildung er bekommen hatte.
Beide hatten zuerst geschwiegen, doch schlussendlich hatten sie gelächelt und ihm auch ihre Geschichten erzählt.
"Ja, das wäre allerdings äußerst hilfreich, Rion. Ich werde euch nachher erzählen, wo ihr in der Hafengegend den bestmöglichen Kurs bekommt. Aber ich rate euch, tauscht nur die Feueraugen. Die Geldtauscher hier hauen einen schnell übers Ohr, wenn es um Silber- oder Goldaugen geht. Wenn ihr wollt, kann ich euch auch einige eurer Silberaugen noch in Feueraugen tauschen, falls ihr nicht genug davon habt. Oder falls ihr plant euer gesamtes Geld einzutauschen."
"Naja, nicht das gesamte.", entgegnete Rion, "Ich weiß ja nicht, ob ich irgendwann wieder zurück muss."
"Ja, da habt ihr wohl Recht. Beim zurücktauschen dürftet ihr Verlust machen. Wenn ihr wollt, können wir es folgendermaßen machen: Ihr tauscht einfach euer gesamtes Geld ein. Wenn ihr irgendwann wieder zurück müsst, dann fahrt ihr wieder mit mir zurück. Ihr kennt ja meine Route mittlerweile fast besser als ich selber. Also wisst ihr auch, zu welcher Zeit im Jahr, ich mich in welchem Hafen befinden müsste. Wenn ihr also wieder mit zurück kommt, dann tausche ich euch einfach das Geld zum gleichen Kurs zurück. Ihr habt keinen Verlust. Ich spare mir dann die Rennerei. Was haltet ihr davon?"
"Das klingt gut. So machen wir es.", willigte Rion ein.
So tauschte Harmin Rion sämtliches Geld in Feueraugen um. Was für manch einen eine ungeheure Summe zu sein schien, war für den Händler keine Schwierigkeit. Dies lag zum Teil auch daran, dass so manche seiner Waren sehr heikel waren. Das Risiko war hoch, aber der Gewinn um so höher.
Als sie zwei Stunde später angelegt hatten, begab Rion sich mit einer Eskorte von zehn Mann, einer mittelgroßen Truhe, und etlichen Beuteln zum Geldtauscher. Das meiste des Geldes gehörte natürlich Harmin, jedoch war Rions Vermögen auch nicht wirklich unbedeutend.
Zuerst machten sie jedoch einen kurzen Halt bei den Wachstuben in der Nähe des Hafens, so wie Naffkan geraten hatte. Gegen eine Gebühr, war eine Abteilung der Bewaffneten bereit, Rion zum Geldleiher und wieder zurück zu eskortieren. Dies würde sämtliche Diebe bereits im Vorfeld abschrecken, etwas dummes zu versuchen.
Die Seemänner konnten also wieder zurück zum Schiff.
Etwa eine viertel Stunde später kamen sie beim Geldleiher an. Sie betraten alle das Gebäude. Rion ging voran. Einige Soldaten bezogen Stellung neben der Tür, andere verteilten sich im Raum.
Als Rion den Mann erblickte, der der Beschreibung nach für das Tauschen zuständig sein musste, stellte er die Truhe auf einen Tisch. Die Beutel jedoch holte er noch nicht hervor.
"Meinen Gruß edler Herr, ich möchte Geld tauschen.", eröffnete Rion das Gespräch und hoffte darauf, dass sich die Verhandlungen nicht all zu sehr in die Länge ziehen würden.